Von Leberfleck bis Lebenslust

Von Leberfleck bis Lebenslust

Elke Winter über das Älterwerden Sie ist laut, sie ist schillernd – und sie ist ...

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© Ingo Boelter

Elke Winter über das Älterwerden

Sie ist laut, sie ist schillernd – und sie ist verdammt ehrlich: Elke Winter, Travestie-Star, Entertainerin und „Queen of Comedy“, kehrt am 25. September mit ihrem neuen Programm „Alleine das jetzt!“ erstmals solo ins STADEUM zurück. Mit viel Humor, Musik und Selbstironie widmet sie sich dem Thema, das uns alle früher oder später betrifft: dem Älterwerden. Im Interview mit Stader Brise Redakteurin Julia Balzer spricht die Hamburger Bühnenikone über Glitzer statt Grau, über das Leben mit Leberfleck und warum sie sich heute mehr denn je traut, ganz sie selbst zu sein.

Stader Brise: Am 25. September stehen Sie mit Ihrem neuen Programm im STADEUM erstmals solo auf der Bühne: „Alleine das jetzt!“ Es geht ums Älterwerden. Wir wollen alle alt werden, aber niemand will alt sein. Welche Rolle spielt das Alter im Travestiebusiness?

Elke Winter: Na ja, da wollen sich natürlich alle immer jünger machen – das kennen wir aus der Showbranche ja allgemein. Viele verschweigen ihr wahres Alter, um noch bessere Jobs – auch im Fernsehen – zu ergattern. Vielleicht bin ich momentan die Einzige, die ganz offen sagt: Ich bin 56. Und ich stehe dazu! Denn Alter hat auch seine schönen Seiten.

Stader Brise: Was genau ist denn das Schöne daran?

Elke Winter: Zum Beispiel, dass man auf viele wunderbare Erinnerungen zurückblicken kann. Und dass man mit zunehmendem Alter oft auch entspannter wird. Ich merke das selbst – und genau das will ich in meinem Programm zeigen: Dass wir lockerer werden sollten, uns nicht ständig triggern lassen und einfach mehr leben.

Stader Brise: Mit dem Wissen von heute noch mal jung sein, das wär’s doch. Oder?

Elke Winter: (lacht) Das sagten unsere Eltern und Großeltern auch schon immer. Aber genau darum geht’s. Man hat zwei Möglichkeiten: Entweder man rennt traurig von einer Vorsorgeuntersuchung zur nächsten – in Beige natürlich – oder man sagt: „Auf ins Leben!“ Und zieht das an, was einem gefällt, ganz egal, ob das jetzt „altersgerecht“ ist oder nicht.

Stader Brise: Also lieber Glitzer als Grau – und dabei voll im Hier und Jetzt. Aber Hand aufs Herz: Kommt man da überhaupt noch hinterher bei all dem, was sich verändert?

Elke Winter: Ganz genau. Wir haben wirklich sehr viele Entwicklungen mitgemacht: Vom Farbfernseher bis zur KI. Das ist doch faszinierend! Nur manchmal denke ich: Muss ich mich jetzt auch noch mit dem ganzen neuen Kram beschäftigen?

Stader Brise: Ja, es ist schnelllebig geworden.

Elke Winter: Früher hatten wir drei Programme, heute hast du 1000 Informationsquellen. Alles ist sofort verfügbar. Aber echte Auseinandersetzung? Die fehlt oft. Die Jugend will alles sofort – wie beim Klimawandel, bei sozialen Themen. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin für all das. Aber manches braucht eben auch Zeit. Genau wie Veränderungen in der Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, wir waren in den 90ern teilweise schon weiter als heute.

Stader Brise: Inwiefern?

Elke Winter: Na ja, damals sind wir für Schwulenrechte auf die Straße gegangen. Heute wird vieles nur noch online „aktivistisch“ begleitet. Und dabei geht es oft um Likes, nicht um echten Einsatz. Auch da will ich mit meinem Programm einen Spiegel vorhalten – humorvoll, aber ehrlich.

Stader Brise: Und das Publikum? Ist das eher Ihr Alterssegment?

Elke Winter: Ganz gemischt. Auch jüngere Menschen kommen – und die feiern es! Ich erzähle viel aus meinem Leben, mit einem Augenzwinkern. Zum Beispiel über eine sehr spezielle Vorsorgeuntersuchung …

Stader Brise: Erzählen Sie!

Elke Winter: Ich war beim Hautarzt, der meinte: „Letztes Jahr war hier doch noch ein Leberfleck!“ Und ich: „Moment…“ – dann demonstriere ich es auf der Bühne: Ziehen, schieben, heben – da war er! (lacht)

Stader Brise: Herrlich! Haben Sie noch ein Beispiel?

Elke Winter: Klar. Bei McDonald’s stand eine gestresste Mutter hinter mir. Drei Kinder, alle mussten irgendwohin – Ballett, Klavier, Hockey. Sie hat mich fast weggedrückt. Also habe ich gesagt: „Ich lade meine Schwester mit ihren Kindern ein.“ – hab alles bezahlt – und dann gesagt: „Geben Sie mir bitte auch ihre Tüte, wir treffen uns draußen.“ – die Dame musste noch mal bestellen! (lacht)

Stader Brise: Also Humor ist definitiv Ihr Jungbrunnen?

Elke Winter: Ja, und meine Hunde. Ich bin viel draußen unterwegs. Sport? Eher nicht. Ich bin da eher der Wechseljahre-Body-Typ – im Sommer kurvig, im Winter rank und schlank. Ich lebe quasi auf der falschen Erdhalbkugel! (lacht)

Stader Brise: Was ist an Ihrem neuen Programm anders als früher?

Elke Winter:  Es ist viel persönlicher. Früher habe ich viele Witze adaptiert – heute erzähle ich echte Geschichten aus meinem Leben. Und: Alles ist auf Deutsch. 85 Prozent der Songs wurden für mich geschrieben – mit aktuellen Themen, ironisch, aber sehr musikalisch. Ich war unsicher, wie ein rein deutsches Musikprogramm ankommen würde – aber es funktioniert großartig. Die Leute feiern es!

Stader Brise: Gibt’s denn einen Song, der besonders gut ankommt?

Elke Winter: Ja – ausgerechnet der über den Tod. Ich hatte zuerst Bedenken, aber das Publikum liebt ihn. Sie klatschen mit, wollen den Song runterladen. 

Stader Brise: Sie sind auch im Fernsehen zu sehen – trotz Ihres Alters! Wie kam es dazu?

Elke Winter: Ganz verrückt. Ich hatte das Fernsehen eigentlich abgeschrieben – das Alter, Sie wissen … Und plötzlich ruft der Hessische Rundfunk an und gibt mir die Moderation für „Rosa Wölkchen“ – eine der erfolgreichsten queeren Karnevalssendungen. Mit über 50! Man soll halt nie aufgeben.

Stader Brise: Großartig. Zum Schluss noch: Was würden Sie Ihrem 18-jährigen Ich heute sagen?

Elke Winter: Hab Geduld. Informiere dich umfassend – auch politisch. Und lerne, miteinander zu sprechen – wirklich zu sprechen, nicht nur per Whats-App. Kommunikation ist das A und O. Und: Lebe. Warte nicht auf später. Später kommt vielleicht nie.

Stader Brise: Danke, Elke Winter, für dieses nette und offene Gespräch!

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